Rüthrich bei Kästner-Preis Verleihung
Als sich die Gäste am Sonntag, den 1. 9. 2013 in Sekunden mit großer Freude für den Erich-Kästner-Preisträger 2013 Dieter Hildebrandt im Saal des Schloß Albrechtsbergs erhoben, hatten die Anwesenden eine kurzweilige aber sehr würdige Feierstunde erlebt. Bettina Klemm hatte für den austragenden Presseclub Dresden die Veranstaltung pünktlich um 11Uhr eröffnet. Roger Willamsen, der für seine feinsinnige Art bekannte Publizist, hielt eine erwartet begeisternde Laudatio. Der enge Vertraute von Dieter Hildebrandt hielt eine sehr persönliche Würdigung der Kabarettlegende. Der Preisträger wurde von der Jury in diesem Jahr einstimmig und im ersten Wahlgang erkoren. Einem Mann, zu dem Laudator Roger Willams meinte, dass sich heute jeder Kabarettist im Land auf den 86-jährigen Altmeister beruft. Mehr geht in einer auf Kritik basierenden Zunft wirklich nicht. Das politische Kabarett, dass „den Menschen sagt, was sie nicht hören wollen.“
Nach einem herzlichen Dank an Hildebrandts Frau Regina zum Eingang seiner Rede spannte Willamsen einen wortreichen Bogen um das große persönliche Engagement des Ausgezeichneten. Der Begründer der Münchener Lach- und Schießgesellschaft, der sich zugleich mit seiner liebenswürdigen, menschlich achtenden Art gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen einen unschätzbaren Namen gemacht hat. Hildebrandt lebt was er sagt und denkt. Nur so ist die heutige breite Begeisterung für den kritischen Geist erklärbar. „Ein ganz Großer, der es immer mit den Kleinen hielt.“ Hildebrandt nimmt seine Umwelt extrem aufmerksam beobachtend wahr und spiegelt seit vielen Jahren die Widersprüche in der Gesellschaft messerscharf. Er kann begeistern, manchmal sogar einen ganzen Saal ohne auch nur ein Wort zu sprechen „zum toben bringen.“ Er ist die verkörperte Institution des politischen Kaberetts in Deutschland. Heute wird der Preisträger überall gefeiert. Willamsen erinnerte jedoch auch daran, dass dies nicht zu jeder Zeit so war.
Nach der Übergabe des Preises gab Dieter Hildebrandt in seiner Dankesrede viel persönliches über seine Verbindung zum Erich-Kästner-Preis. Der nicht nur in Dresden so hochgeschätzte Autor sehr berühmter Bücher war gleichzeitig einer der wichtigsten Begründer des politischen Kabaretts in Deutschland. Der schon 1928 in München ganz in der Tradition des französischen Kabaretts eine entsprechende Einrichtung begründete. So wie der Herausgeber der Weltbühne Karl von Ossietzky machte sich Kästner damit natürlich bei den Nazis extrem unbeliebt. Seine Werke gehörten nach der Machtergreifung zur verfemten Literatur.
Hildebrandt lernte in München nach dem Krieg Kästner persönlich kennen. Nach dem er einen Job als „Kartenabreisser“ in einem Theater ergattet hatte bedachte ihn Erich Kästner mehrfach mit wohlwollenden Ausdruck was für Dieter Hildebrandt ganz offensichtlich nicht nur vergnüglich war sondern ihn stark motivierte. Hildebrandt beeindruckte unter anderem, wie Kästner auf die Scheinheiligkeit einhämmerte. 1954 hielt Erich Kästner in Deutschland vor heimgekehrten Emigranten eine unvergessliche Rede, die Dieter Hildebrandt mehrfach erwähnte und die ihn wohl für sein späteres künstlerisches Schaffen prägte. Darin setzte Kästner sich mit der überall spürbaren „deutschen Vergesslichkeit“ auseinander. Wenige Jahre nach dem Krieg musste Kästner feststellen: „Wir stehen vor jeder Autorität stramm.“ Dieter Hildebrandt, der bereits 32 große Auszeichnungen in Deutschland erhalten hat, machte in seinen Worten überaus glaubhaft deutlich, warum ihm gerade der Erich-Kästner-Preis besonders lieb ist.
Susann Rüthrich war sich mit der zahlreich erschienen Festgemeinde im Schloss Albrechtsberg bei den Gesprächen beim anschließenden Empfang darüber einig, ein sehr bewegenden Tag mit Dieter Hildebrandt in Dresden erlebt zu haben. „Erich Kästner, den ich als erstes über Emil und die Detektive kennen lernen durfte, war ein sehr kritischer Geist und Vorbild für den Preisträger Dieter Hildebrandt. Die Vitalität von Dieter Hildebrandt ist beeindruckend, seine Präsenz beispielgebend. Dieser große alte Mann ist jung. Sein auf Erfahrung als Kriegsjunge beruhendes Engagement gegen Rassismus und Nationalismus ist Inspiration für unsere Arbeit. Ein würdiger Preisträger.“