NSU Rassismus Zschäpe Zwickau
3. März 2016

Reflexionen aus dem NSU-Untersuchungsausschuss zum Themenkomplex Zwickau

Zwei Untersuchungsausschusstage zum Themenkomplex Zwickau liegen hinter uns. Gehört wurden Polizisten aus Sachsen, des BKA und zivile Zeugen, wie der Hausverwalter und Hausmeister des Gebäudes in der Frühlingsstraße 26, in dem das Trio lebte. Diese unterschiedlichen Blickwinkel haben erhellt, wie die drei zusammengelebt haben und was geschah, nachdem das Feuer ausbrach.

Zwei Zeugen, die besonders dazu beitrugen ein detailliertes Bild, der Lage zu geben, waren der Brandursachenermittler Frank Lenk, sowie der Polizeirat Swen Philipp. Beide vermochten es mit ihren ausführlichen Darlegungen der Brandentwicklung, sowie Einsicht in die Ermittlungen etwaige Verschwörungstheorien, etwa um eine dritte Person, die in dem Haus war oder der Frage, warum nur die Hälfte des Hauses in Flammen stand, zu widerlegen.

Ich nehme für mich aus diesen zwei Tagen außerdem noch folgende Erkenntnisse und Fragen mit:

Beate Zschäpe handelte berechnend

Das Vorgehen von Beate Zschäpe wirkte berechnend, geplant und professionell durchgeführt. Dafür spricht das Vorgehen bei der Brandlegung und der darauffolgenden Flucht. Das Gutachten des Brandermittlers zeigt auf, das wenig übrig geblieben wäre, hätte sich der Brand auch im hinteren Teil der Wohnung entwickelt. Dies war aber reiner Zufall. Daher ist davon auszugehen, dass Zschäpe gezielt versucht hat jegliche Beweismittel zu vernichten.

Auch ihre Fluchtroute nach dem Brand spricht für ein berechnendes Vorgehen. Dank des Einsatzes von Spürhunden konnte rekonstruiert werden, dass sie nach dem Ausbruch des Feuers, in Richtung Polizeistation und Feuerwehr ging. Vermutlich, um das Vorgehen der Einsatzkräfte im Blick zu haben.   Zudem wurde nochmal durch die Aussage des Hausmeisters klar, dass sie nicht hätte wissen können, ob er sich noch im Haus befand. Genauso, wie sie in Kauf nahm die ältere Frau im angrenzenden Gebäudeteil zu verletzen, setzte sie auch sein Leben aufs Spiel.

Diese Erkenntnisse lassen Zschäpes Selbstdarstellung vor Gericht, als nur halbwissende, eingeschüchterte und naive Person noch unglaubwürdiger wirken. Stattdessen haben wir es hier mit einer berechnend agierenden Person zu tun.

Der Blick für die lokale rechte Szene war weder bei der Polizei, noch im näheren Umfeld geschärft

Die Aussagen durch den Hausmeister, als auch der Polizei werfen viele Fragen auf: Was sagt es aus, wenn „Todesstrafe für Kinderschänder“ auf den Heckscheiben der in der Frühlingsstraße parkenden Autos nicht als rechter Slogan erkannt werden? Sind diese Bezüge zu rechten Gedankengut bereits so anschlussfähig, dass kein Anstoß mehr genommen wird? Gibt es Orte, in denen es gar kein Untertauchen mehr braucht?

So oder so müssen wir uns die Frage stellen, wie wir eine breite Aufklärung über das aktuelle Auftreten und Strategien von Rechten in unserer Gesellschaft hinkriegen. Nur so können wir ein Fundament schaffen, indem Neonazis mindestens aufmerksam beobachtet werden.

Bemerkenswert ist auch, wie wenig auch die vorgeladenen Polizisten mit der örtlichen Neonazi – Szene oder einschlägigen Personen vertraut waren und bis heute sind. Kritisch ist zudem, dass Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden bezüglich der Personen im Zusammenhang mit dem NSU-Trio während der Ermittlungen ab dem 4.11. nicht an die Polizei geflossen sind.

Unabhängig davon, ob es nun in der Zuständigkeit der einzelnen Polizist*innen liegt oder die Zusammenarbeit mit den VS-Behörden nicht funktioniert, erschließt es sich mir jedoch nicht, warum nicht mehr Interesse besteht zu wissen, wer vor Ort aktiv ist. So ein Wissen ist immerhin notwendig für die Menschen, die durch diese rechte Szene bedroht werden – sollte es da nicht auch Teil des Wissens der Institution sein, die im Zweifelsfall alarmiert wird oder ermitteln soll?

Der Einfluss rassistischer Stereotype auf die Ermittlungen im NSU-Komplex geht bisher zu wenig in die Ausbildung junger Polizist*innen ein

Da mit Polizeirat Swen Philipp auch ein Lehrer an der Polizeifachschule anwesend war, ergab sich die Möglichkeit einen Einblick zu bekommen, inwieweit der Komplex NSU in die Ausbildung junger Polizist*innen Eingang findet. Während die Thematik in der Ausbildung zum Mittleren Dienst keine Rolle spielt, wird der Fall für Auszubildende des Gehobenen Dienstes besprochen. KR Philipp versicherte, dass der grundsätzliche Auftrag in alle Richtungen zu ermitteln, vermittelt wird. Ob es allerdings reicht dies deutlich zu machen, ohne tiefgreifendere Angebote zu schaffen über eigene Vorurteile und Bewertungen zu reflektieren, bleibt fraglich. Aus meiner eigenen Erfahrung mit Anti-Rassismus- Schulungen mit Jugendlichen und Erwachsenen, weiß ich, dass wir alle Vorurteile in uns tragen und die erstmal sichtbar machen müssen, damit sie nicht in unsere Bewertungen einfließen. Zudem ist es notwendig nicht nur in der individuellen Ausbildung jene Inhalte zu vermitteln, sondern eine Struktur zu bauen, in der rassistisch motiviertes Handeln mindestens weniger Einfluss hat, weil nötige Mechanismen dies verhindern. An diesen Fragen werde ich auch zukünftig dran bleiben.

Ausblick

Mein Fazit der ersten zwei Ausschusssitzungen ist, dass wir uns bemühen müssen in der Komplexität der vielen Zuständigkeiten und Ermittlungsdetails nicht die übergreifenden Fragen und den Untersuchungsauftrag aus den Augen zu verlieren. Zwar kann es sicherlich ein nützlicher Nebeneffekt sein die vielen kursierenden Verschwörungstheorien zu entkräften, jedoch kann es nicht unser Ansinnen sein diesen eine besondere Bühne zu bieten – zumal sie häufig aus rechten Zusammenhängen stammen.

In den kommenden Wochen werden wir uns vor allem mit der Arbeit des BKA und den Vorgängen in Eisenach nach dem 4.11. 2011 beschäftigen. Ich habe in der Zwischenzeit meine NSU-Recherche-Tour mit Besuchen beim BKA, in der Probsteigasse und Keupstraße, sowie bei Herrn Dr. Maaßen begonnen und freue mich die neu gewonnenen Erkenntnisse in die folgenden Ausschusssitzungen einzubringen.