#keupstraße #nsu #BKA #Probsteigasse
10. März 2016

Eindrücke von meiner NSU-Recherche Tour – Teil I in Köln

Vergangene Woche habe ich mir zusammen mit KollegInnen des Untersuchungsausschusses das Wohnmobil angesehen, indem sich Uwe Böhnhardt und Mundlos erschossen haben. Im konstruktiven und erkenntnisreichen Gespräch beim BKA haben wir offene Fragen erörtert. Und es gab viele plausibel erscheinende Erklärungen auf die Ungereimtheiten (auch wenn der Krimi von Herrn Schorlau trotzdem spannend ist).

Nach dem Besuch bin ich der Frage weiter nachgegangen, die für mich die zentrale im NSU-Komplex ist: Wie wurde und wird eine Tat erkannt und bewertet, die rassistisch motiviert ist – nicht nur in den Ermittlungsbehörden, auch in der breiten Gesellschaft?

Zusammen mit meiner Kollegin Petra Pau haben wir uns am Nachmittag mit Menschen getroffen, die durch den Anschlag in der Keupstraße betroffen waren und mit einigen, die sich mit der „zweiten Bombe“ auseinandersetzen: nämlich den verbreiteten Vorurteilen, die dazu führten, die Opfer selbst zu Verdächtigen erklären. Es wurde deutlich, dass die Narben, die dadurch entstanden sind, noch lange nicht geheilt und die nötige Aufarbeitung noch lange nicht abgeschlossen sind.

Wer auf der Keupstraße steht, kommt an der Einsicht nicht vorbei: Wer hier eine Bombe platziert, will Migrant*innen treffen. Wie kann man da rechten Terror ausschließen? Und daran schließt sich die dringliche Frage an, warum wir Angriffe heute wieder nicht als das benennen, was sie sind: Terror, für den wir uns alle zu rechtfertigen haben.

Im Anschluss daran besuchte ich die Probsteigasse, eine winzige, ruhige Straße in der Altstadt. Zwischen Architekturbüros mache ich die Stelle aus, wo vermutlich der Lebensmittelladen stand, indem 2001 ein Sprengsatz, versteckt in einer Christstollendose, hochging und die Tochter des Ladenbesitzers schwer verletzte. Der Gegensatz dieser Orte macht noch deutlicher, wie geplant dieser Anschlag war: kein rechter Terrorist aus einer anderen Stadt kommt zufällig einfach dorthin und platziert bei einem „Zufallsopfer“ eine Bombe. Dazu braucht es Unterstützer und Hinweise vor Ort. Beide Tatorte sprechen also ihre eigene je eindeutige Sprache.

Am nächsten Morgen war ich zum Gespräch bei Herrn Dr. Maaßen im Bundesamt für Verfassungsschutz eingeladen. Wir diskutieren die vielen Fragen, die derzeit so viele beschäftigen: Die aktuelle Bedrohung durch Angriffe auf Asylunterkünfte, die rechte Mobilisierung von PEGIDA bis zu den vielen „Bürgerwehren“, offene Fragen bezüglich der Rolle des Verfassungsschutzes im NSU-Komplex. Der direkte Austausch hat bestätigt, dass wir in unseren Analysen von unterschiedlichen Prämissen ausgehen und daher andere Notwendigkeiten ausmachen. Auch daraus wächst Erkenntnis.

Es war wichtig für mich, das alles selbst zu sehen und vor allem mit Betroffenen zu sprechen. All das hat mich darin bestärkt, weiter die wichtigen Fragen nach Vorurteilen, Rassismus und Verantwortung zu stellen.