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6. Mai 2014

Hebammen-Demo in Dresden

05.05.2014. Mit einer Demonstration durch Dresden und einer Kundgebung am Dresdner Neumarkt protestierten rund 3000 Hebammen, Familien und weitere UnterstützerInnen gegen die steigenden Kosten der Haftpflicht für die Hebammen, für die gesellschaftliche Anerkennung, Wertschätzung und ausreichende Bezahlung. Gefordert wird eine stärkere Beteiligung der Krankenkassen an den Versicherungskosten.

OLYMPUS DIGITAL CAMERASusann Rüthrich, MdB und Mitglied des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sprach zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Kundgebung auf dem Dresdner Neumarkt:

„Guten Tag, liebe Hebammen und Entbindungspfleger, liebe Kinder, liebe Eltern, liebe Interessierte. Ich freue mich sehr, dass Sie gekommen sind zum Hebammentag hier in Dresden, das sich freut, Geburtenhauptstadt zu sein.
Ich selbst könnte heute eigentlich gleich zwei Mal hier oben stehen:
Zum einen: Heute vor einer Woche ist wieder einmal für mich eine wunderbare Mutterschutzzeit zu Ende gegangen. Ich habe mich auch während dieser Schwangerschaft, meiner 2., während der Geburt im Geburtshaus und im Wochenbett wunderbar betreut gefühlt durch meine Hebammen. Sie sind uns Eltern auf vertrauensvolle, persönliche, aber vor allem überaus kompetente Begleiterinnen unheimlich wichtig. Mit ihnen fühle ich mich gerüstet, den neuen Menschen den bestmöglichen Start ins Leben zu ermöglichen. Dafür bin ich dankbar und sage auch von hier aus noch mal ganz herzlich DANKE.
Ich weiß, dass ich immer anrufen kann. Dass keine Frage zu doof oder zu intim ist. Dass kluge und erfahrene Hände, Augen und Herzen sich mit um mein Kind kümmern.
Doch schon vor 2 Jahren bei meinem erstem Kind – und denselben Hebammen – musste ich oftmals gegen so etwas wie ein schlechtes Gewissen ankämpfen:
Ich nehme eine Leistung in Anspruch – und diejenigen, die ich darum bitte, haben Existenzsorgen, werden schlecht bezahlt und deren Arbeitszeiten spotten manchmal jeder Beschreibung.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAKann es denn gerecht sein, dass die Menschen, die für uns – und demnach wohl auch andere – so wichtig sind, um ihre Existenz fürchten müssen? Dass sie im Durchschnitt kaum nach Mindestlohn bezahlt werden? Und das bei den Arbeitszeiten, die für eine eigene Familiengründung nicht eben freundlich sind?
Und kann es denn sein, dass ich jetzt – zwei Jahre später – beim nächsten Kind, genau das selbe schlechte Gewissen immer noch haben muss? Ich will, dass meine Hebammen wie auch alle anderen, ein gesichertes ordentliches Auskommen haben mit dem, was sie tun!
Und hier kommt meine zweite Rolle dazu, wegen der ich eigentlich heute hier stehe. Ich bin seit September Mitglied im Bundestag – und dort im Familienausschuss, zuständig auch für Frauengesundheit neben allem, was mit Kindern zu tun hat. Und so interessieren mich die Geburtshelferinnen und –helfer auch fachlich.
Ich denke, es ist durchaus nützlich, wenn sich beim Thema Geburtshilfe auch Leute wie ich, die einen sehr persönlichen und aktuellen Zugang haben, politisch zu Wort melden.
Wir als Politikerinnen und Politiker haben die Aufgabe, flächendeckend und konstant die Geburtshilfe in Deutschland abzusichern. Wahlfreiheit für den Ort der Geburt, gute Vor- und Nachsorge, maximale Sicherheit für Kinder, Eltern und die Hebammen, und ein gutes Auskommen für die Berufe der Geburtshilfe – dass ist das Ziel.
Schön ist: ich habe weder in meiner noch in einer der anderen Fraktionen im Bundestag jemals eine anderslautende Meinung gehört. Über das OB herrscht eigentlich Einigkeit – nur das WIE war und ist offenbar die entscheidende Frage.OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Hier nun scheinen wir auf einem guten Weg zu sein: In der vergangenen Woche wurde vom Gesundheitsministerium nach langen Gesprächen auch mit den Hebammenverbänden versprochen, dass es eine Sicherstellungspauschale geben soll, damit sich auch Hebammen mit wenigen Geburten die Versicherung leisten können.
Außerdem wird das zu versichernde Risiko bei den Versicherungen gedeckelt. Krankenkassen werden auf Regeressforderungen an die Versicherungen verzichten, die eine bestimmte Summe überschreiten. Eventuelle Schäden werden von der Gemeinschaft der Versicherten getragen.
Das finden die Kassen erst einmal nicht so toll.
Aber es ergibt aus meiner Sicht durchaus Sinn: Geburten sind eben auch im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Noch besser wäre eigentlich nur, dass die entstandenen Schäden über Steuern gedeckt werden, damit wirklich ALLE beteiligt werden. Aber das wird nicht umsetzbar sein.
Für die Zukunft der Gesellschaft ist es wichtig, dass Geburten und die damit verbundenen Risiken kein „Privathobby“ der meist ja jungen Eltern und der Hebammen sind. Sondern alle Versicherten sollten das Risiko mit tragen. Sie haben ja auch was davon, sonst zahlt später mal keiner mehr die Altersrisiken, weil eben keiner mehr da ist.
Klar ist bei all den Diskussionen aber auch: ein durch einen Behandlungsfehler geschädigtes Kind und seine Familie müssen weiter jede erforderliche Hilfe bekommen.
Damit sind aus meiner derzeitigen Sicht erst einmal die wichtigsten Baustellen bearbeitet. Das alles kommt jetzt ins Gesetzgebungsverfahren und wird sicher noch hier und da diskutiert und ggf verändert.
Aber ich werde alles mit dafür tun, dass es rechtzeitig eine solide Lösung gibt, die mal für länger als ein-zwei Jahre trägt, sondern möglichst lange.
Ja, es ist oft nervig, dass solche Entscheidungen so lange brauchen. Aber Hau-Ruck-Aktionen hätten uns in den letzten Monaten nicht geholfen. So bin ich den Hebammen und den Unterstützerinnen und Unterstützern für die kontinuierliche und konstruktive Lobbyarbeit dankbar. Das habt Ihr echt gut gemacht. Und es hat gewirkt. Eine Lösung, die trägt, scheint nah.
Sollte ich noch einmal ein Kind bekommen, hoffe ich, dann nicht mehr über das Auskommen meiner Hebammen nachdenken zu müssen.OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Abschließend noch ein Gedanke zum Schluss:
Seit Kinder geboren wurden, gab es Geburtshelferinnen und –helfer. Es ist eine der ältesten und existenziellsten Tätigkeiten, die wir einander zukommen lassen.
Versicherungen allerdings sind meines Wissens nach eher eine relativ junge Erscheinung. Sollten ausgerechnet Versicherungsfragen die Existenz eines so wertvollen Berufes in Frage stellen, spricht das nicht für unsere Gesellschaft, denn:
Es wird immer Dinge geben, die lassen sich nicht versichern – das ist das Leben!
Existentielle Fragen, wie das Geboren werden, sind keine versicherungstechnische Fragen oder Fragen des Geldes. Es sind Frage der Mitmenschlichkeit. Und dafür lohnt es sich, alles Erdenkliche zu tun.
Viel Erfolg wünsche ich weiterhin und vielen Dank, dass ich heute hier sprechen durfte.“